Begonien als unterschätzte Akteure für gesunde Wohnräume
Die meisten Menschen betrachten Begonien wegen ihrer satten Farben und glänzenden Blätter als rein dekorative Pflanzen. In Wahrheit agieren sie im Haushalt als stille Regulatoren des Raumklimas – biologische Filter, die sich an die wechselnden Bedingungen einer Wohnung anpassen. In Zeiten, in denen Innenraumqualität zunehmend als Gesundheitsfaktor erkannt wird, lohnt es sich, diese Pflanzengattung nicht länger nur als Schmuckstück zu sehen, sondern als aktiven Bestandteil eines häuslichen Mikrosystems.
Die Diskussion um Zimmerpflanzen und ihre Wirkung auf Innenräume ist dabei komplexer, als es zunächst erscheinen mag. Seit den ersten systematischen Untersuchungen in den 1980er-Jahren hat sich das wissenschaftliche Verständnis erheblich weiterentwickelt. Was unter kontrollierten Laborbedingungen messbar ist, zeigt sich in der Praxis oft differenzierter. Dennoch gibt es nachweisbare Effekte, die gerade in modernen, stark beheizten oder klimatisierten Wohnräumen relevant werden können.
Der zentrale Mechanismus, über den Begonien das Raumklima beeinflussen, liegt weniger in spektakulären Luftreinigungseffekten als vielmehr in ihrer natürlichen Fähigkeit zur Feuchtigkeitsregulation. Diese subtile, aber kontinuierliche Leistung unterscheidet sich grundlegend von den oft übertriebenen Darstellungen, die Zimmerpflanzen pauschal zu „Schadstoffkillern“ stilisieren. Um die tatsächliche Rolle der Begonie zu verstehen, muss man zunächst klären, was wissenschaftlich belegt ist – und wo Marketingaussagen die Realität verzerren.
Wie Begonien die Luftqualität verbessern und das Mikroklima stabilisieren
Hinter den weichen Blättern der Begonie steckt ein ausgefeilter biochemischer Mechanismus. Über ihre Stomata – kleine Poren an der Blattunterseite – reguliert sie permanent den Gasaustausch: Tagsüber nimmt sie Kohlendioxid auf und gibt Sauerstoff ab. Gleichzeitig verdunstet sie Wasser, ein Prozess, der Evapotranspiration die Luftfeuchtigkeit erhöht. Dieses Phänomen kann in trockenen Innenräumen spürbar werden – ein Aspekt, der in der Fachliteratur zur Pflanzenphysiologie allgemein anerkannt ist, wenngleich die konkreten Messwerte je nach Raumgröße, Pflanzenanzahl und Umgebungsbedingungen variieren.
In der kühlen Jahreszeit, wenn Heizungen die Innenraumluft austrocknen, kann eine kräftige Begonia rex oder Begonia maculata dazu beitragen, die Staubentwicklung zu mindern, weil sich Schwebepartikel durch höhere Feuchtigkeit schneller absetzen. Das Resultat ist eine spürbar klarere und frischere Atmosphäre. Gleichzeitig kann eine stabilere Luftfeuchtigkeit das Risiko trockener Augen und Hautrisse reduzieren, ein Aspekt, den Mediziner zunehmend in Wohnraumanalysen berücksichtigen.
Eine Begonie arbeitet zwar subtil, aber kontinuierlich: Ihre Leistung summiert sich über Tage und Wochen. Während technische Luftbefeuchter Strom verbrauchen und Wartung benötigen, erledigt die Pflanze dieselbe Aufgabe lautlos und selbstregulierend – ein ökologischer Mehrwert, der in wissenschaftlichen Untersuchungen zur Pflanzenphysiologie dokumentiert ist. Wichtig ist jedoch die Einschränkung: Die oft zitierten NASA-Studien aus dem Jahr 1989, durchgeführt von Dr. B.C. Wolverton, untersuchten Pflanzen unter hochgradig künstlichen Laborbedingungen in luftdicht versiegelten Behältern. Spätere Forschungen, insbesondere von Cummings und Warren von der Drexel University in Philadelphia, haben gezeigt, dass diese Ergebnisse nicht direkt auf normale Wohnräume mit natürlichem Luftaustausch übertragbar sind.
Die zentrale Erkenntnis moderner Forschung lautet: Während Zimmerpflanzen in realen Umgebungen nur begrenzt flüchtige organische Verbindungen absorbieren können – wie Studien von Irga, Torpy und Burchett aus dem Jahr 2013 in Feldversuchen zeigten –, liegt ihre tatsächliche Stärke in der Stabilisierung des Feuchte- und Gashaushalts. Dieser Effekt ist biologisch fundiert und messbar, auch wenn er nicht die ursprünglich propagierten Dimensionen erreicht.
Warum der Standort über Gesundheit und Wirkung entscheidet
Begonien sind tagaktive Pflanzen, deren Photosynthese im Dunkeln stoppt. Nachts kehrt sich ihr Stoffwechsel teilweise um: CO₂ wird abgegeben, Sauerstoffverbrauch leicht erhöht. Das ist biologisch normal und entspricht dem Verhalten der meisten C3-Pflanzen. In der Praxis ist dieser Effekt in normalen Wohnräumen minimal und hat keine messbaren Auswirkungen auf die Atemluftqualität – einzelne oder wenige Pflanzen ändern die CO₂-Konzentration nicht signifikant, wie aktuelle wissenschaftliche Analysen bestätigen. Dennoch gilt aus praktischen Erwägungen eine einfache Regel: Begonien gehören nicht ans Bett, sondern in belebte Räume mit Luftzirkulation.
Perfekte Orte sind Wohnzimmer, Flure mit Lichtschächten oder das Badezimmer, sofern dort indirektes Tageslicht herrscht. Im Bad sind Begonien fast ideale Bewohner, da sie bei relativer Luftfeuchtigkeit zwischen 50 und 70 Prozent besonders vital sind. Der warme Wasserdampf aus der Dusche imitiert ihr ursprüngliches Habitat – tropische Wälder, in denen sie auf feuchtem Laub gedeihen. Anders als viele Pflanzen reagieren Begonien nicht empfindlich auf Temperaturschwankungen zwischen 18 °C und 24 °C. Entscheidend ist eher die Mischung aus Licht und Schatten: hell, aber nicht sonnig, sonst verlieren die Blätter ihren Glanz und trocknen am Rand aus.
Wer Wert auf Ästhetik legt, kann kontrastierende Arten gruppieren: Eine Begonia maculata mit silbernen Punkten neben einer Begonia erythrophylla mit rostroten Unterseiten. Ihr optisches Zusammenspiel wirkt lebendig, während beide gemeinsam aktiv am Feuchtigkeitshaushalt mitarbeiten. Untersuchungen zur Pflanzenphysiologie deuten darauf hin, dass Gruppenpflanzungen die Luftfeuchte lokal stärker anheben können als Einzelpflanzen – ein Argument, die Begonie nicht isoliert, sondern als Teil eines Systems zu kultivieren. Allerdings fehlen konkrete quantitative Studien, die diesen Effekt spezifisch für Begonien in realen Wohnumgebungen präzise vermessen hätten.
Die physiologischen Grundlagen, die ihre regulierende Wirkung erklären
Das Bild der „Luft reinigenden Pflanze“ wird oft zu schlicht dargestellt. Im Fall der Begonie sollte man wissen, dass sie bei der Photosynthese zwar Sauerstoff produziert, aber – entgegen früheren Annahmen – in realen Wohnräumen nur sehr begrenzt flüchtige organische Verbindungen absorbiert. Eine Studie der RWTH Aachen unter Dr. Giese aus dem Jahr 2010 kam zu dem Ergebnis, dass mehrere große Pflanzen pro Raum nötig wären, um überhaupt messbare Effekte bei der VOC-Reduktion zu erzielen. Für Begonien spezifisch liegen in der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur keine Studien vor, die sie als besonders wirksame Schadstofffilter identifizieren würden.
Das bedeutet nicht, dass Begonien wirkungslos sind – ihre Stärke liegt vielmehr in der Stabilisierung des Feuchte- und Gashaushalts. Die Cuticula ihrer Blätter enthält eine wachsartige Schicht, die Wasserverlust kontrolliert und gleichzeitig Staubpartikel binden kann. Diese Partikel werden bei der nächsten Bewässerung abgespült – ein natürliches Reinigungsprinzip im Miniaturformat, das mechanisch funktioniert, unabhängig von chemischer Schadstoffbindung.
Wenn man mehrere Begonien über den Raum verteilt, entsteht eine moderate, aber konstante Verbesserung des Raumgefühls, die weniger auf spektakuläre Filterleistungen als auf subtile Feuchtigkeitsregulation zurückzuführen ist. Besonders in Innenräumen mit vielen Kunststoffen – Teppichböden, synthetische Möbelverkleidung – kann das stabilisierende Mikroklima spürbar werden, auch wenn sich dieser Effekt nicht primär durch Ionisation oder chemische Prozesse erklärt, sondern durch die kontinuierliche Wasserverdunstung.
Ein interessanter Aspekt betrifft das Zusammenspiel von Pflanze und Mikroben. Forschungsarbeiten von Orwell et al. aus dem Jahr 2004 sowie von Kim et al. aus dem Jahr 2008 haben gezeigt, dass primär der Boden und das Pflanzen-Mikrosystem – nicht die Blätter selbst – für den Abbau von VOCs verantwortlich sind. Die Wurzeln der Begonie beherbergen eine mikrobielle Flora, die potenziell mit organischen Verbindungen in der Raumluft interagiert. Xu et al. zeigten 2011, dass die mikrobielle Vielfalt im Substrat entscheidend für solche Abbauprozesse ist. Allerdings wurden diese Effekte unter Laborbedingungen gemessen, und für Begonien spezifisch fehlen entsprechende Verifikationen. Das ist kein Ersatz für Desinfektion, aber ein interessanter Zusatznutzen für Haushalte mit geringer Luftzirkulation oder erhöhter Feinstaubbelastung, der jedoch nicht überbewertet werden sollte.
Ein praxisnaher Leitfaden zur Pflege mit gesundheitsrelevantem Fokus
Eine Begonie entfaltet ihr ökologisches Potenzial nur bei richtiger Pflege. Ziel ist es, Bedingungen zu schaffen, die ihren natürlichen Stoffwechselrhythmus unterstützen. Die wichtigsten Maßnahmen in Kürze:
- Wasser: Immer über die Erde und nie auf die Blätter gießen. Staunässe führt zu Wurzelfäule und unterbindet die Gasregulation über das Blattwerk.
- Licht: Indirektes Tageslicht fördert die Photosynthese, extremes Sonnenlicht zerstört Chlorophyll und mindert ihre regulierende Effizienz.
- Temperatur: Konstant über 18 °C, aber ohne direkte Heizquellen; plötzliche Schwankungen reduzieren den Transpirationsrhythmus.
- Düngung: Einmal im Monat, vorzugsweise mit stickstoffarmem Flüssigdünger, um das Blattwachstum ohne übermäßige Zellstreckung zu fördern.
- Platzierung: Freistehend mit etwas Abstand zur Wand, damit sich um die Blätter ein Luftfilm bilden kann, der für den Feuchtigkeitstransfer nötig ist.
Diese physischen Anpassungen zielen nicht nur auf die Ästhetik, sondern auf die Aufrechterhaltung eines mikroklimatischen Gleichgewichts im Wohnraum, in dem weder übermäßige Trockenheit noch Schimmelbildung dominieren. Besonders wichtig: Einmal wöchentlich die Blätter mit einem feuchten, fusselfreien Tuch reinigen, um ihre Transpirationsleistung frei zu halten. Dadurch bleiben die Stomata ungehindert aktiv – ihr eigentlicher „Atemmechanismus“.
Die Pflege ist nicht kompliziert, erfordert aber Konsequenz. Wer diese Grundregeln beachtet, schafft optimale Voraussetzungen dafür, dass die Begonie ihre natürliche Funktion im Raum erfüllen kann. Dabei geht es weniger um maximale Luftreinigung – wie früher oft behauptet wurde – sondern um die sanfte, kontinuierliche Regulation des Raumklimas durch Feuchtigkeitsabgabe und mechanische Staubbindung.
Wissenschaftliche Perspektiven auf den gesundheitlichen Nutzen
Die Rolle von Zierpflanzen als Teil gesunder Innenraumluft ist seit den NASA-Studien der 1980er-Jahre Thema wissenschaftlicher Debatten. Die ursprünglichen Untersuchungen von Dr. B.C. Wolverton aus dem Jahr 1989 zeigten, dass bestimmte Pflanzen unter hochgradig künstlichen Bedingungen – luftdicht versiegelte Behälter, 24-Stunden-Exposition, keine natürliche Luftzirkulation – bis zu 90 Prozent bestimmter Schadstoffe reduzieren konnten. Diese Ergebnisse wurden jedoch in der Folge kritisch hinterfragt.

Neuere Forschungen differenzieren erheblich stärker: Cummings und Warren von der Drexel University in Philadelphia wiesen nach, dass die Laborbedingungen der NASA-Studie nicht auf reale Wohnräume übertragbar sind. In normalen Innenräumen mit natürlichem Luftaustausch reichen einzelne oder wenige Pflanzen nicht aus, um messbare VOC-Reduktion zu erzielen. Feldstudien von Irga, Torpy und Burchett aus dem Jahr 2013 bestätigten dies: In echten Räumen waren VOC-Reduktionen durch Zimmerpflanzen gering und praktisch kaum relevant.
Während einige Pflanzen wie Spathiphyllum oder Ficus in den NASA-Tests untersucht wurden, tauchen Begonien in den verfügbaren wissenschaftlichen Studien nicht explizit als wirksame VOC-Absorber auf. Das bedeutet nicht, dass sie wirkungslos sind – ihr Vorteil liegt woanders: in der Feuchtigkeits- und CO₂-Regulation. Diese Funktion ist in geschlossenen Wohnräumen, besonders in klimatisierten oder stark beheizten Umgebungen, von größerer Bedeutung als der reine Abbau chemischer Rückstände.
Medizinische Fachliteratur weist darauf hin, dass konstante Luftfeuchte zwischen 40 und 60 Prozent die Überlebensdauer von Viren und Bakterien in der Luft signifikant reduziert. Begonien können unbewusst helfen, diesen Bereich zu halten – vorausgesetzt, sie werden in ausreichender Zahl und unter geeigneten Bedingungen kultiviert. Gleichzeitig vermindert eine ausgeglichene Feuchtigkeit die Reizung der Nasenschleimhaut, deren intakte Schleimbarriere ein natürlicher Infektionsschutz ist. Es ist also kein Zufall, dass manche Menschen in Räumen mit gesundem Pflanzenbestand länger konzentriert bleiben oder weniger Kopfschmerzen entwickeln – das Zusammenspiel aus Temperatur, Luftfeuchte und Sauerstoffniveau entlastet das vegetative Nervensystem.
Warum gerade die Begonie eine Symbiose von Ästhetik und Funktion verkörpert
In der Raumökologie spielen visuelle Reize eine eigene gesundheitliche Rolle. Studien zur biophilen Gestaltung – ein Forschungsfeld, das die Wirkung natürlicher Elemente auf menschliches Wohlbefinden untersucht – zeigen, dass natürliche Texturen und organische Formen Stressmesswerte wie Pulsfrequenz und Cortisol senken können. Die asymmetrischen Blattformen und das changierende Pigmentmuster vieler Begoniensorten wirken wie fließende Mikrostrukturen, die den Blick anziehen, ohne Unruhe zu erzeugen. Diese Art der ruhigen visuellen Stimulation kann Konzentration fördern – ein Effekt, der in modernen Arbeits- und Wohnumgebungen zunehmend gesucht wird.
Bemerkenswert ist, wie die optische Qualität direkt mit physiologischer Funktion verknüpft ist. Der Glanz der Blätter entsteht aus fein strukturierten Zellschichten, die Licht reflektieren und gleichzeitig Transpiration regulieren. Hinter der Schönheit steht also nicht bloß Ästhetik, sondern adaptive Effizienz. Jede Blattader ist ein Kapillarsystem, das mikroskopisch Wasserbewegungen steuert; diese Dynamik ist die Grundlage für die regulierende Wirkung auf das Raumklima.
In einer Zeit, in der Luftfiltergeräte und Smart-Home-Sensoren Luftfeuchtigkeit in Zahlen ausdrücken, erinnert die Begonie daran, dass Selbstregulierung auch auf natürlichem Weg möglich ist – eine leise Technologie der Natur. Sie wird dabei nicht die Leistung technischer Geräte ersetzen, kann aber als ergänzendes Element in einem ganzheitlichen Ansatz zur Raumgestaltung dienen. Wer realistische Erwartungen hat und die biologischen Grenzen der Pflanze kennt, wird ihre tatsächlichen Stärken zu schätzen wissen.
Weniger bekannte Aspekte, die ihre Pflege und Wirkung optimieren
Einige Details entgehen selbst erfahrenen Pflanzenfreunden, obwohl sie großen Einfluss auf Lebensdauer und Effizienz der Begonie haben:
- Substratstruktur: Eine Mischung aus Torfersatz, Perlit und Kokosfasern erhöht die Luftdurchlässigkeit. Gut belüftete Wurzeln verbessern den ionischen Austausch, was wiederum den Wasserumsatz der Blätter stabilisiert. Zudem ist das Substrat – wie Forschungen von Orwell et al. aus dem Jahr 2004 und Kim et al. aus dem Jahr 2008 zeigten – primär verantwortlich für mikrobielle Abbauprozesse, nicht die Blätter selbst.
- Bewässerungsrhythmus: Unregelmäßiges Gießen führt zu Stressphasen, in denen Begonien Wasserverdunstung drosseln. Eine gleichmäßige Feuchtigkeit fördert hingegen eine konstantere Luftbefeuchtung.
- Mikrostandort: Je näher an Wärmequellen, desto schneller verlieren Blätter ihre Hydrostatik. Ein Abstand von mindestens 50 cm zu Heizkörpern erhält die Zellspannung.
- Luftbewegung: Zu stehende Luft kann Pilzkrankheiten begünstigen. Ein sanfter Luftstrom fördert zugleich die gleichmäßige Verteilung der von der Pflanze abgegebenen Feuchtigkeit.
- Topfmaterial: Ton ist atmungsaktiv und verhindert Wasserstau, Kunststoff hingegen hält Feuchtigkeit länger. Je nach Raumklima lässt sich damit der Transpirationsgrad steuern.
Wer diese Variablen anpasst, stimmt die Begonie exakt auf die Bedürfnisse seiner Wohnumgebung ab. So lässt sich etwa in Altbauten mit trockener Luft ein dichteres Pflanzenensemble wählen, während in modernen Neubauten mit kontrollierter Lüftung einzelne große Exemplare genügen. Die wissenschaftliche Erkenntnis, dass vor allem das Boden-Pflanzen-Mikrosystem für potenzielle luftverbessernde Effekte verantwortlich ist – wie Xu et al. 2011 in Studien zur mikrobiellen Vielfalt nachwiesen –, unterstreicht die Bedeutung eines gesunden, gut durchlüfteten Substrats.
Begonien und das Zusammenspiel von Raum, Mensch und Klima
Eine Begonie ist kein Luftreinigungswunder im ursprünglich propagierten Sinne, aber ein lebender Indikator für das, was im Raum geschieht. Wenn ihre Blätter matt werden, ist die Luft zu trocken oder das Licht zu grell; wenn sich Tautropfen an den Spitzen bilden, ist die Luftfeuchte bereits hoch. Sie gibt damit präzises Feedback ohne Messgerät. Wer diese Signale zu deuten lernt, gewinnt eine einfache Methode, Raumklima intuitiv zu steuern.
Hinter dieser Interaktion steckt ein psychologischer Mehrwert: Wer Pflanzen regelmäßig beobachtet und pflegt, verankert sich stärker im eigenen Lebensraum. Umweltpsychologen beschreiben diesen Prozess als mikroskopische Achtsamkeit – eine Form der Aufmerksamkeit für die lebendige Umgebung, die Stress reduziert und emotionale Bindung an den Wohnort stärkt. Die Begonie wirkt so doppelt: physisch über das Raumklima und psychisch über die Beziehung zwischen Mensch und Pflanze.
Langfristig kann eine durchdachte Integration von Begonien Teil eines nachhaltigen Haushaltskonzepts werden. Eine moderate Erhöhung der Luftfeuchte kann den Bedarf an elektrischen Luftbefeuchtern reduzieren; die natürliche Staubbindung erleichtert die Reinigung. Wer in gesundheitsbewusste Innenarchitektur investiert, findet in der Begonie ein überraschend leistungsfähiges Element – vorausgesetzt, die Erwartungen bleiben realistisch und orientieren sich an wissenschaftlich belegten Effekten.
Realistische Einordnung: Was Begonien leisten können und was nicht
Die aktuelle wissenschaftliche Datenlage erfordert eine differenzierte Betrachtung. Während die ursprünglichen NASA-Studien von Dr. B.C. Wolverton aus dem Jahr 1989 unter kontrollierten Laborbedingungen beeindruckende Ergebnisse zeigten, haben spätere Untersuchungen – insbesondere die kritischen Analysen von Cummings und Warren von der Drexel University sowie die Feldstudien von Irga, Torpy und Burchett aus dem Jahr 2013 – gezeigt, dass diese Resultate nicht direkt auf reale Wohnräume übertragbar sind.
Für Begonien spezifisch liegen in der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur keine Studien vor, die sie als besonders wirksame Schadstofffilter identifizieren würden. Die NASA-Tests konzentrierten sich auf Pflanzen wie Spathiphyllum, Sansevieria, Chlorophytum und Hedera helix, aber nicht auf Begonien. Das bedeutet: Viele der weitreichenden Behauptungen zur Luftreinigung durch Begonien sind wissenschaftlich nicht verifiziert.
Was hingegen biologisch plausibel und in der Pflanzenphysiologie allgemein anerkannt ist: Begonien können durch Evapotranspiration lokal und begrenzt die Luftfeuchtigkeit erhöhen. Dieser Effekt ist real, wenngleich nicht quantitativ für Begonien in realen Wohnumgebungen präzise vermessen. Die RWTH Aachen kam in einer Studie unter Dr. Giese aus dem Jahr 2010 zu dem Schluss, dass mehrere große Pflanzen pro Raum nötig wären, um überhaupt messbare Effekte zu erzielen – eine Erkenntnis, die auch für Begonien relevant sein dürfte.
Die Empfehlung lautet daher: Begonien als Teil eines gesunden Raumkonzepts zu betrachten, nicht als Allheilmittel. Ihre Stärke liegt in der sanften, kontinuierlichen Feuchtigkeitsregulation und in der mechanischen Staubbindung auf Blattoberflächen. Sie ergänzen technische Lösungen, ersetzen sie aber nicht. Wer mehrere Begonien in geeigneter Umgebung pflegt, kann von einem stabileren Mikroklima profitieren – vorausgesetzt, die Erwartungen bleiben realistisch.
Ein unscheinbarer Topf im Badezimmer oder ein Arrangement auf der Fensterbank kann mehr bewirken als man zunächst denkt – wenn auch anders, als frühere Marketingaussagen suggerierten. Eine gut platzierte Begonie trägt zur Stabilisierung der Raumluftfeuchtigkeit bei, kann Schleimhäute vor Austrocknung schützen und durch ihre regulierende Wirkung dazu beitragen, dass das Raumklima ausgeglichener wird. Sie zeigt, dass die Verbesserung des häuslichen Wohlbefindens nicht an große Maßnahmen geknüpft ist, sondern an kleine Anpassungen, die mit Sinn für Biologie und Umweltverständnis getroffen werden.
Die wissenschaftliche Realität ist weniger spektakulär als manche Werbeaussagen, aber nicht weniger wertvoll: Begonien sind keine Wunderpflanzen, die massiv Schadstoffe aus der Luft filtern. Dafür sind sie zuverlässige, pflegeleichte Begleiter, die durch natürliche Befeuchtung, mechanische Staubbindung und sensorisches Wohlgefühl einen Beitrag zum Raumklima leisten. Ihre Wirkung ist subtil, aber messbar – vorausgesetzt, man versteht sie als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes, nicht als isolierte Lösung.
Wer die Pflanze also nicht nur als Dekoration, sondern als stillen Partner betrachtet, nutzt ihre Stärken im vollen Umfang: natürliche Befeuchtung, Unterstützung der mikrobiologischen Balance im Substrat – wie Forschungen von Orwell et al., Kim et al. und Xu et al. nahelegen – und sensorisches Wohlgefühl. Die Begonie verwandelt Wohnräume in atmende Systeme, auch wenn ihre Leistung realistisch eingeordnet werden muss. Sie erinnert daran, dass Gesundheit auch dort beginnt, wo man sie nicht auf den ersten Blick vermutet: in der achtsamen Gestaltung der unmittelbaren Umgebung, im Verständnis biologischer Prozesse und in der Wertschätzung dessen, was Natur im Kleinen leisten kann – ohne Übertreibung, aber mit nachweisbarem Nutzen.
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