Telegram gilt als eine der flexibelsten Messaging-Apps auf dem Markt, doch viele Nutzer verstehen nicht vollständig, wie die Datenschutzfunktionen tatsächlich arbeiten. Während die App zahlreiche Möglichkeiten bietet, die eigene Privatsphäre zu schützen, kursieren gleichzeitig hartnäckige Mythen über Funktionen, die es so gar nicht gibt. Höchste Zeit, Fakten von Fiktion zu trennen.
Der Mythos der abschaltbaren Lesebestätigungen
Blaue Haken sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits zeigen sie dem Gegenüber, dass die Nachricht angekommen und gelesen wurde – andererseits entsteht dadurch ein sozialer Druck, zeitnah zu antworten. Im Internet kursieren zahlreiche Anleitungen, die behaupten, man könne bei Telegram die Lesebestätigungen einfach deaktivieren. Die Wahrheit ist ernüchternd: Diese Funktion existiert nicht.
Anders als bei WhatsApp bietet Telegram keine Möglichkeit, Lesebestätigungen in normalen Chats zu deaktivieren. Wer eine Nachricht liest, hinterlässt unweigerlich eine Lesebestätigung beim Absender. Diese Einschränkung wird oft übersehen, weil Telegram in anderen Bereichen tatsächlich granulare Datenschutzoptionen bietet – nur eben nicht bei den Lesebestätigungen.
Was Telegram wirklich an Privatsphäre bietet
Auch wenn die Lesebestätigungen nicht abschaltbar sind, gibt es andere wirksame Stellschrauben für mehr Diskretion. Die wichtigste davon ist der Online-Status. Öffne Telegram und tippe auf die drei horizontalen Linien oben links. Navigiere dann zu Einstellungen und wähle Privatsphäre und Sicherheit aus.
Hier findest du die Option Zuletzt online. Tippe darauf und stelle die Sichtbarkeit auf Niemand. Damit verhinderst du, dass andere sehen können, wann du zuletzt in Telegram aktiv warst oder ob du gerade online bist. Die grüne Online-Anzeige verschwindet damit vollständig aus den Chats deiner Kontakte.
Ausnahmen gezielt setzen
Das Praktische an Telegram ist die Möglichkeit, Ausnahmen zu definieren. Vielleicht möchtest du deinen engsten Freunden oder der Familie weiterhin zeigen, wann du online bist, während du für alle anderen unsichtbar bleibst. Genau dafür bietet die App die Optionen Immer teilen mit und Nie teilen mit.
Mit diesen Feineinstellungen kannst du einzelne Kontakte oder ganze Gruppen zur Whitelist hinzufügen. So behältst du die volle Kontrolle darüber, wer welche Informationen über deine Telegram-Aktivität erhält. Diese Granularität sucht man bei vielen Konkurrenz-Apps vergeblich.
Weitere wirkungsvolle Privacy-Features
Wenn du schon dabei bist, deine Privatsphäre zu optimieren, lohnt sich ein Blick auf weitere Funktionen, die Telegram tatsächlich bietet:
- Telefonnummer verbergen: Stelle unter Telefonnummer die Sichtbarkeit auf Niemand. So können andere Nutzer deine Nummer nicht sehen, selbst wenn ihr gemeinsame Gruppen habt.
- Profilbild-Einstellungen: Bestimme präzise, wer dein Profilbild sehen kann. Besonders nützlich, wenn du in großen öffentlichen Gruppen aktiv bist.
- Anrufe: Lege fest, wer dich über Telegram anrufen darf. Die Option Niemand verhindert unerwünschte Anrufe komplett.
Diese Einstellungen wirken auf der Anzeigeebene und beeinflussen nicht die Geschwindigkeit oder Zuverlässigkeit der App. Push-Benachrichtigungen funktionieren weiterhin einwandfrei, Medien werden mit derselben Geschwindigkeit geladen, und die Synchronisation zwischen verschiedenen Geräten läuft genauso reibungslos.
Der entscheidende Unterschied: Geheime Chats
Hier wird es interessant, denn Telegram unterscheidet sich fundamental von Apps wie WhatsApp oder Signal. Die normalen Cloud-Chats, die du standardmäßig nutzt, verwenden nur eine Server-Client-Verschlüsselung. Das bedeutet: Nachrichten sind auf dem Übertragungsweg geschützt, aber für Telegram selbst auf den Servern theoretisch lesbar.
Echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bieten nur die sogenannten Geheimen Chats. Diese musst du jedoch explizit für jeden Kontakt einzeln starten. Geheime Chats bieten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bei der wirklich nur Sender und Empfänger die Nachrichten lesen können – nicht einmal Telegram hat Zugriff auf die Inhalte.

Geheime Chats sind an ein spezifisches Gerät gebunden und werden nicht in der Cloud gespeichert. Das bedeutet maximale Sicherheit, aber auch, dass du diese Nachrichten nicht auf anderen Geräten abrufen kannst. Ein bewusster Trade-off zwischen Komfort und Sicherheit. Außerdem bieten diese Chats selbstzerstörende Nachrichten, die sich nach einer festgelegten Zeit automatisch löschen.
Warum diese Unterscheidung wichtig ist
Viele Nutzer wiegen sich in falscher Sicherheit, weil sie glauben, ihre normalen Telegram-Chats seien genauso geschützt wie bei anderen Messenger-Diensten. Die Realität sieht anders aus: Wer wirklich sensible Informationen austauschen möchte, sollte zwingend auf Geheime Chats zurückgreifen.
Die normalen Privatsphäre-Einstellungen wie verborgener Online-Status oder unsichtbare Telefonnummer schützen dich vor neugierigen Blicken anderer Nutzer. Sie ändern aber nichts daran, dass deine Nachrichten auf Telegrams Servern gespeichert werden und theoretisch einsehbar sind. Dieser fundamentale Unterschied wird in vielen Ratgebern verschwiegen oder nicht deutlich genug herausgestellt.
Die Lesebestätigungen in der Praxis
Zurück zum Ausgangsproblem: Wenn du die blauen Haken vermeiden möchtest, bleibt dir bei Telegram nur eine Option – Geheime Chats. Auch dort werden Lesebestätigungen angezeigt, aber die Nachrichten selbst genießen echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Für alltägliche Kommunikation musst du mit den Lesebestätigungen leben oder schlicht darauf verzichten, jede Nachricht sofort zu öffnen.
Eine pragmatische Herangehensweise ist es, Benachrichtigungen so einzustellen, dass du den Nachrichteninhalt in der Vorschau sehen kannst, ohne den Chat zu öffnen. So kannst du entscheiden, ob eine sofortige Reaktion nötig ist, ohne eine Lesebestätigung auszulösen. Das funktioniert allerdings nur bei kurzen Nachrichten, die vollständig in der Vorschau angezeigt werden.
Praktische Tipps für mehr digitale Selbstbestimmung
Nachdem du nun die tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen kennst, hier einige realistische Strategien für den Alltag. Aktiviere das Verbergen deines Online-Status für maximale Diskretion. Nutze Geheime Chats für wirklich vertrauliche Gespräche. Kommuniziere offen mit deinen Kontakten über deine Datenschutzpräferenzen.
Du wirst bemerken, wie befreiend es ist, selbst zu bestimmen, wer welche Informationen über deine Aktivität sieht. Die mentale Belastung durch ständige Erreichbarkeitserwartungen nimmt ab, auch wenn die blauen Haken weiterhin erscheinen. Deine Antworten werden durchdachter, weil du dir die Zeit nehmen kannst, die du brauchst.
In Zeiten zunehmender digitaler Überwachung ist es wichtiger denn je, die Kontrolle über die eigenen Informationen zu behalten. Selbst scheinbar harmlose Metadaten wie der Online-Status können Rückschlüsse auf dein Verhalten und deine Gewohnheiten zulassen. Die verfügbaren Einstellungen bei Telegram geben dir einen Teil dieser Kontrolle zurück – solange du weißt, welche Funktionen tatsächlich existieren und welche nur Wunschdenken sind.
Das Wichtigste in der Zusammenfassung
Die blauen Haken lassen sich in normalen Chats nicht deaktivieren, auch wenn viele Anleitungen im Netz etwas anderes behaupten. Was du tatsächlich steuern kannst, ist dein Online-Status, die Sichtbarkeit deiner Telefonnummer, dein Profilbild und wer dich anrufen darf. Diese Werkzeuge sind mächtig genug, um deine digitale Privatsphäre spürbar zu verbessern.
Für maximalen Datenschutz sind Geheime Chats die einzige Option mit echter Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Normale Cloud-Chats sind für Telegram selbst theoretisch einsehbar. Diese Unterscheidung ist entscheidend für alle, die sensible Informationen austauschen.
Wer seine Privatsphäre bei Telegram schützen möchte, sollte die verfügbaren Einstellungen konsequent nutzen, gleichzeitig aber die Grenzen der Plattform kennen. Nur so entsteht ein realistisches Bild davon, was digitale Selbstbestimmung bei diesem Messenger bedeutet – und wo andere Lösungen möglicherweise besser geeignet sind.
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