Ihr Dinkel wird heimlich teurer, aber der Trick ist so raffiniert: Was der Grundpreis über die wahren Kosten verrät

Das Phänomen der schrumpfenden Verpackungen

Beim Wocheneinkauf greifen viele Verbraucher gerne zu, wenn das Preisschild ein verlockend rotes Sonderangebot zeigt. Doch gerade bei Grundnahrungsmitteln wie Dinkel lohnt sich ein zweiter Blick auf die Packung. Was zunächst wie ein günstiges Angebot wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung oft als clevere Verkaufsstrategie: Die Packung wird kleiner, der Preis bleibt gleich oder sinkt nur minimal – und plötzlich zahlen Käufer pro Kilogramm deutlich mehr als zuvor.

Versteckte Mengenreduzierungen gehören zu den subtilsten Preiserhöhungen im Einzelhandel. Während offensichtliche Preissteigerungen bei Verbrauchern sofort Widerstand hervorrufen, bemerken viele die schleichende Verkleinerung der Füllmenge kaum. Bei Dinkel, der als gesündere Alternative zu Weizen immer beliebter wird, lässt sich diese Praxis besonders gut beobachten. Aus 1000 Gramm werden unmerklich 900 Gramm, aus 500 Gramm nur noch 450 Gramm – während das Preisschild weiterhin günstig erscheint.

Das Perfide daran: Oft geschieht diese Reduzierung genau dann, wenn das Produkt im Sonderangebot präsentiert wird. Dieses Phänomen wird als Shrinkflation bezeichnet und wurde von der Bundesregierung in einem Eckpunktepapier vom Juni 2023 offiziell als Problem anerkannt. Der psychologische Effekt ist bemerkenswert. Verbraucher konzentrieren sich auf den vermeintlich reduzierten Preis und übersehen die tatsächlich geschrumpfte Menge. Der Grundpreis pro Kilogramm steigt dabei nicht selten deutlich – eine Preissteigerung, die in dieser Deutlichkeit vermutlich keine Akzeptanz gefunden hätte.

Warum gerade Dinkel im Fokus steht

Dinkel erlebt seit Jahren einen regelrechten Boom. Das alte Getreide gilt als bekömmlicher, nährstoffreicher und wird von gesundheitsbewussten Käufern bevorzugt. Diese Beliebtheit macht das Produkt zu einem idealen Kandidaten für versteckte Preisanpassungen. Verbraucher, die gezielt nach Dinkel suchen, haben oft weniger Alternativen im Regal und sind bereit, einen höheren Preis zu akzeptieren – wenn sie ihn denn bemerken würden.

Die Hersteller argumentieren häufig mit gestiegenen Produktionskosten, Rohstoffpreisen oder Verpackungsmaterialien. Diese Begründungen mögen durchaus ihre Berechtigung haben. Problematisch wird es jedoch, wenn die Anpassungen intransparent erfolgen und bewusst verschleiert werden. Genau hier liegt der Knackpunkt: Ehrliche Kommunikation sähe anders aus.

Wie die Täuschung funktioniert

Die Methoden sind vielfältig und ausgeklügelt. Häufig bleibt die Verpackungsgröße optisch nahezu identisch, während der Inhalt reduziert wird. Durch geschickte Gestaltung mit mehr Luft, dickeren Böden oder größeren Zwischenräumen entsteht der Eindruck unveränderter Füllmenge. Die Packung fühlt sich ähnlich schwer an, nimmt denselben Platz im Regal ein – nur die kleine Zahl auf dem Etikett verrät die Wahrheit.

Ein weiterer Trick besteht darin, die Packungsgrößen leicht zu verändern. Statt runder Zahlen wie 500 oder 1000 Gramm erscheinen plötzlich krumme Mengen wie 450 oder 900 Gramm. Diese ungewöhnlichen Angaben erschweren den direkten Vergleich und verwirren Käufer zusätzlich. Wer im Kopf schnell ausrechnen möchte, ob das Angebot wirklich günstig ist, steht vor einer unnötig komplizierten Rechenaufgabe.

Besonders geschickt wird die Mengenreduzierung mit Sonderaktionen kombiniert. Während einer Werbekampagne wird die bereits verkleinerte Packung mit einem scheinbar attraktiven Rabatt angeboten. Der Verbraucher vergleicht den aktuellen Preis mit dem vorherigen – nicht ahnend, dass sich inzwischen auch die Menge geändert hat. Diese doppelte Verschleierung macht die eigentliche Preissteigerung nahezu unsichtbar. Manche Handelsunternehmen nutzen auch saisonale Effekte oder wechselnde Verpackungsdesigns als Deckmantel für Mengenanpassungen. Eine neue, modern gestaltete Packung suggeriert Verbesserung und Innovation – die reduzierte Füllmenge bleibt dabei im Verborgenen.

So schützen Sie sich als Verbraucher

Der wichtigste Verbündete beim Einkauf ist der Grundpreis. Dieser muss in Deutschland gesetzlich auf dem Preisschild angegeben werden und zeigt den Preis pro Kilogramm oder Liter. Die Angabe ist durch die Preisangabenverordnung verpflichtend und soll genau der Transparenz dienen. Nur dieser Wert ermöglicht einen fairen Vergleich zwischen verschiedenen Packungsgrößen und Angeboten. Selbst wenn ein Produkt als Sonderangebot beworben wird, kann der Grundpreis enthüllen, dass eine andere Packungsgröße oder sogar ein vermeintlich teureres Produkt im Endeffekt günstiger ist.

Leider ist der Grundpreis oft klein gedruckt und weniger auffällig platziert als der Gesamtpreis. Hier ist Aufmerksamkeit gefragt. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, immer zuerst auf diese Angabe zu schauen, bevor Sie sich von bunten Rabattschildern beeinflussen lassen. Wer regelmäßig dieselben Produkte kauft, kann Veränderungen leichter erkennen. Notieren Sie sich gelegentlich die Füllmengen Ihrer Standardeinkäufe oder fotografieren Sie die Verpackungen. So fällt eine schleichende Reduzierung schneller auf.

Praktische Tipps für den Einkauf

Eine weitere hilfreiche Strategie besteht darin, verschiedene Verkaufsstellen zu vergleichen. Oft führen unterschiedliche Supermärkte verschiedene Packungsgrößen desselben Produkts. Dieser Vergleich offenbart schnell, wo Sie tatsächlich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erhalten. Auch alte Kassenzettel können aufschlussreich sein: Sie zeigen nicht nur Preise, sondern manchmal auch Mengenangaben, die beim nächsten Einkauf als Referenz dienen.

Größere Vorratspackungen bieten häufig ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis, sofern das Produkt entsprechend gelagert werden kann und vor dem Verfallsdatum verbraucht wird. Bei Dinkel, der sich trocken und kühl monatelang hält, ist dies durchaus eine praktikable Option. Einige Verbraucher organisieren sich auch in Einkaufsgemeinschaften und bestellen direkt bei regionalen Mühlen oder Erzeugern. Diese Direktvermarktung umgeht nicht nur die Verpackungsproblematik, sondern unterstützt auch lokale Produzenten und reduziert Transportwege.

Die rechtliche Situation und Verbraucherschutz

Grundsätzlich ist es Herstellern und Händlern erlaubt, Packungsgrößen und Preise anzupassen. Problematisch wird es erst, wenn Verbraucher durch irreführende Darstellung oder mangelhafte Information getäuscht werden. Verbraucherschutzorganisationen dokumentieren regelmäßig Fälle versteckter Preiserhöhungen durch Mogelpackungen. Die Verbraucherzentrale Hamburg führt beispielsweise Listen mit aktuellen Fällen, in denen Mengenreduzierungen verschleiert werden. Diese Dokumentationen zeigen, dass das Problem weit verbreitet ist und verschiedenste Produktkategorien betrifft.

Alternativen für bewusste Käufer

Wer sich gegen diese Praktiken wehren möchte, hat mehrere Optionen. Der Kauf in Unverpackt-Läden oder auf Wochenmärkten ermöglicht den Erwerb genau der benötigten Menge zu transparenten Kilopreisen. Auch lose Ware in Bioläden oder Reformhäusern wird oft nach Gewicht verkauft – hier gibt es keine versteckten Packungsgrößen.

Das Interesse an solchen Alternativen ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Ende 2020 gab es fast 300 Unverpackt-Läden, die den Alltagsbedarf an Lebensmittel- und Hygiene-Artikeln weitgehend abdecken können. Besonders bemerkenswert: 76 Prozent der Deutschen würden es sehr begrüßen, wenn Obst und Gemüse unverpackt angeboten würde. Diese Zahlen stammen aus einer repräsentativen Befragung mit 1.200 Teilnehmenden durch das Institut für Nachhaltigkeitsstudien in Potsdam.

Das größere Bild: Verpackungsmüll in Deutschland

Die Problematik der Mogelpackungen ist eng mit einem anderen drängenden Thema verbunden: dem enormen Verpackungsverbrauch in Deutschland. Mit knapp 228 Kilogramm pro Kopf und Jahr liegt Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 175 Kilogramm pro Kopf. Im Jahr 2021 war dieser Wert sogar auf 237 Kilogramm pro Kopf gestiegen – Deutschland zählt damit zu den Spitzenreitern in Europa beim Verpackungsverbrauch.

Allein im Jahr 2018 fielen in Deutschland über 3 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungsabfälle an. Diese Zahlen verdeutlichen, dass nicht nur die Frage nach fairen Preisen relevant ist, sondern auch die ökologischen Auswirkungen unseres Konsumverhaltens. Untersuchungen zum Umweltbewusstsein zeigen, dass 93 Prozent der Deutschen Defizite in der Verantwortungswahrnehmung des Lebensmitteleinzelhandels bei Verpackungsabfall sehen.

Eigenverantwortung als Schlüssel

Die Lebensmittelindustrie wird weiterhin versuchen, Preissteigerungen möglichst unauffällig durchzusetzen. Als Verbraucher liegt es in unserer Verantwortung, wachsam zu bleiben und bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Je mehr Menschen die Strategie der versteckten Mengenreduzierung durchschauen und darauf reagieren, desto weniger attraktiv wird diese Praxis für Hersteller und Händler.

Nutzen Sie Ihr Wissen auch im Gespräch mit Familie und Freunden. Oft reicht ein einfacher Hinweis, um andere für das Thema zu sensibilisieren. Mundpropaganda und das Teilen von Informationen in sozialen Netzwerken können durchaus Wirkung zeigen und Druck auf Anbieter ausüben, transparenter zu agieren.

Der Griff zur Dinkelpackung im Sonderangebot muss kein schlechtes Geschäft sein – wenn Sie wissen, worauf Sie achten müssen. Mit geschärftem Blick für Grundpreise und Füllmengen verwandeln Sie sich vom potentiellen Opfer geschickter Marketingstrategien in einen informierten, selbstbestimmten Käufer, der tatsächlich von guten Angeboten profitiert. Die gesetzliche Pflicht zur Grundpreisangabe, die wachsende Zahl an Unverpackt-Alternativen und das steigende Bewusstsein für Verpackungsmüll zeigen: Verbraucher haben mehr Macht, als sie oft glauben.

Ist dir schon mal eine geschrumpfte Packung aufgefallen?
Ja und ich war wütend
Ja aber erst zuhause bemerkt
Nein achte nicht darauf
Nein kaufe nur nach Grundpreis
Kaufe nur unverpackt ein

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