Die eine Angewohnheit, die deine Karriere heimlich sabotiert
Du sitzt im Meeting mit deiner Chefin. Sie erklärt die neue Quartalsstrategie. Dein Handy vibriert. Nur ganz kurz checken – könnte ja wichtig sein. Zwei Sekunden später nickst du wieder mit, als hättest du alles mitbekommen. Kein Problem, oder?
Falsch. Genau diese winzige Geste könnte der Grund sein, warum deine Karriere auf der Stelle tritt, während Kolleginnen und Kollegen an dir vorbeiziehen. Und das Verrückte: Du merkst es wahrscheinlich nicht mal.
Was nach einer harmlosen Marotte aussieht, ist laut Arbeitspsychologie und Produktivitätsforschung ein echter Karrierekiller. Die Rede ist von der chronischen Unfähigkeit, ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken – also ständig erreichbar zu sein, mental niemals wirklich präsent, unfähig, echte Pausen zu machen. Diese Dauerzerstreuung frisst nicht nur deine Produktivität auf. Sie verändert auch, wie andere dich wahrnehmen.
Warum dein Gehirn beim Multitasking komplett versagt
Wir alle kennen jemanden, der stolz verkündet: „Ich bin mega gut im Multitasking!“ Die harte Wahrheit aus der kognitiven Psychologie lautet aber: Echtes Multitasking gibt es nicht. Dein Gehirn kann nicht zwei komplexe Aufgaben gleichzeitig bearbeiten. Was wir Multitasking nennen, ist in Wahrheit schnelles Hin-und-her-Springen zwischen Aufgaben – und jeder einzelne Wechsel kostet mentale Energie.
Personio hat in einer Analyse zu Produktivitätskillern am Arbeitsplatz herausgearbeitet, dass häufige Unterbrechungen durch Social Media, E-Mails oder das berüchtigte „nur kurz aufs Handy schauen“ zu den größten Bremsklötzen für effektives Arbeiten gehören. Das Problem liegt nicht nur in den verlorenen Sekunden. Der eigentliche Schaden entsteht beim Zurückkehren zur ursprünglichen Aufgabe.
Microsoft-Daten, die vom Arbeits-ABC ausgewertet wurden, zeigen: Nach einer Unterbrechung dauert es im Durchschnitt über zwanzig Minuten, bis wir wieder voll konzentriert arbeiten können. Zwanzig Minuten! Und in diesen zwanzig Minuten bist du nicht nur langsamer – du machst auch mehr Fehler, übersiehst Details und produzierst schlechtere Ergebnisse.
Was deine Vorgesetzten wirklich sehen, wenn du aufs Handy schaust
Hier wird es richtig unangenehm. Denn die Auswirkungen auf deine Produktivität sind nur die halbe Miete. Die andere Hälfte betrifft etwas viel Entscheidenderes für deine Karriere: die Wahrnehmung deiner Kompetenz durch andere.
Menschen sind unglaublich gut darin, soziale Signale zu lesen – auch unbewusste. Wenn du mitten in einem wichtigen Gespräch auf dein Smartphone schielst, sendest du eine ganze Reihe von Botschaften: Diese Person ist mir nicht wichtig genug für meine volle Aufmerksamkeit. Ich habe meine Prioritäten nicht im Griff. Ich bin überwältigt und kann mich nicht fokussieren. Ich respektiere deine Zeit nicht.
Keine dieser Botschaften willst du an deine Vorgesetzten, Kundinnen oder wichtigen Geschäftspartner senden. Aber genau das tust du – jedes Mal, wenn dein Blick zum Display wandert, wenn du während eines Zoom-Calls nebenbei E-Mails checkst oder in der Kaffeepause nicht wirklich abschalten kannst, weil du durch LinkedIn scrollst.
Eine Umfrage von Springer Professional zu Produktivitätskillern zeigt: Häufige Unterbrechungen und Ablenkungen gehören zu den am meisten genannten Faktoren, die konzentriertes Arbeiten unmöglich machen. Wenn es um Beförderungen geht, zählen aber nicht nur harte Fakten wie Verkaufszahlen oder abgeschlossene Projekte. Mindestens genauso wichtig sind Verlässlichkeit, Fokus und die Fähigkeit, in wichtigen Momenten voll präsent zu sein. Wer chronisch zerstreut wirkt, wird seltener als Führungspotenzial wahrgenommen – selbst wenn die fachliche Leistung stimmt.
Der Teufelskreis: Wie ständige Erreichbarkeit dich immer erschöpfter macht
Aber warum machen wir das überhaupt? Warum fällt es so schwer, das verdammte Handy einfach mal wegzulegen?
Die Antwort liegt in der Art, wie unser Belohnungssystem funktioniert. Jedes Mal, wenn du eine neue Nachricht checkst, gibt dein Gehirn einen kleinen Dopamin-Schub frei – eine Mini-Belohnung. Das fühlt sich gut an, besonders wenn du gestresst, gelangweilt oder unsicher bist. Mit der Zeit wird daraus eine Gewohnheitsschleife.
Der Ablauf ist immer gleich: Auslöser – etwa ein langweiliges Meeting, eine schwierige Aufgabe oder ein Stressmoment. Dann die Routine – schnell aufs Handy schauen. Und schließlich die Belohnung – kurze Erleichterung, Ablenkung, vielleicht eine interessante Nachricht.
Das Problem: Diese Schleife verstärkt sich selbst. Je öfter du zur schnellen Ablenkung greifst, desto weniger lernst du, unangenehme Gefühle wie Langeweile, Unsicherheit oder Anspannung auszuhalten. Deine Toleranz für Unbehagen sinkt – und damit auch deine Fähigkeit zu fokussierter Tiefenarbeit.
Gleichzeitig verschärft sich ein zweites Problem: kognitive Erschöpfung. Wenn du dir niemals echte Pausen gönnst – also Momente, in denen dein Gehirn wirklich abschalten kann – dann laufen deine mentalen Ressourcen auf Reserve. Du fühlst dich ständig müde, triffst schlechtere Entscheidungen, bist reizbarer und greifst noch häufiger zu schnellen Mikro-Belohnungen wie dem Checken von Nachrichten. Ein Teufelskreis.
Die trügerische Sicherheit von ständiger Beschäftigung
Es gibt noch eine psychologische Falle, die hier hineinspielt: die Illusion von Produktivität. Wenn du ständig erreichbar bist, ständig Nachrichten beantwortest und ständig am Ball bleibst, fühlst du dich produktiv. Du bist beschäftigt! Du bist wichtig! Menschen brauchen dich!
Aber beschäftigt sein ist nicht dasselbe wie wirksam sein. Oft ist das Gegenteil der Fall. Indem du dich in einem Meer von kleinen Aufgaben, Unterbrechungen und ständiger Erreichbarkeit verlierst, vermeidest du die wirklich wichtigen, aber unbequemen Dinge: das schwierige Gespräch mit dem Chef, die strategische Planung für das nächste Jahr, das Projekt, das dich aus deiner Komfortzone katapultieren würde.
Das Arbeits-ABC warnt in einer Analyse zum Thema Karrierekiller Komfortzone: Wer sich in der trügerischen Sicherheit von Routine und ständiger Beschäftigung einrichtet, wird unsichtbar. Du bleibst auf deinem aktuellen Level stehen, während andere – die sich trauen, fokussiert an den wichtigen Dingen zu arbeiten und unangenehme Herausforderungen anzunehmen – an dir vorbeiziehen.
Kleine Änderungen mit großer Wirkung
Bevor du jetzt in Panik verfällst: Es ist nicht zu spät. Gewohnheiten lassen sich ändern – aber nur, wenn du sie erstmal erkennst. Der erste Schritt ist Bewusstsein. Frag dich ehrlich: Wie oft schaue ich während wichtiger Gespräche auf mein Handy? Wie oft checke ich E-Mails in Meetings? Wann habe ich das letzte Mal eine echte Pause gemacht, ohne dabei auf einen Bildschirm zu starren?
Falls die Antworten unangenehm sind – herzlich willkommen im Club. Die meisten von uns haben diese Angewohnheit entwickelt, weil unser Arbeitsumfeld sie belohnt und erwartet. Ständige Erreichbarkeit wird als Engagement gedeutet. Aber die Forschung zeigt: Langfristig schadet diese Kultur sowohl der Gesundheit als auch der Produktivität.
Konkrete Strategien gegen die Gewohnheitsschleife
- Mach dein Handy unsichtbar. Nicht stumm – unsichtbar. Leg es in eine Schublade, in die Tasche oder in einen anderen Raum, wenn du dich konzentrieren musst. Allein die physische Barriere erhöht die Hürde fürs „nur kurz checken“ enorm.
- Schaffe notification-freie Zeitblöcke. Leg dir zwei oder drei Zeitfenster pro Tag fest, in denen du alle Benachrichtigungen ausschaltest. Fang klein an – dreißig Minuten reichen für den Anfang. In dieser Zeit arbeitest du an einer einzigen wichtigen Aufgabe, ohne Unterbrechung.
- Übe bewusste Präsenz in Gesprächen. Mach es dir zur Regel: Wenn du mit jemandem sprichst – ob im Meeting, am Telefon oder beim Kaffee – ist das Handy außer Sichtweite. Signalisiere damit: Du hast jetzt meine volle Aufmerksamkeit. Menschen merken das. Und sie schätzen es enorm.
- Plane echte Pausen ein. Keine Ich-scroll-durch-Instagram-während-ich-mein-Sandwich-esse-Pausen. Echte Pausen, in denen du aufstehst, dich bewegst, aus dem Fenster schaust oder mit Kolleginnen redest, ohne nebenbei aufs Display zu starren. Dein Gehirn braucht diese Momente der Erholung, um danach wieder voll leistungsfähig zu sein.
- Identifiziere deine Auslöser. Wann greifst du automatisch zum Handy? Bei Langeweile? Bei Stress? Wenn du nicht weißt, wie du eine Aufgabe anpacken sollst? Sobald du deine persönlichen Trigger kennst, kannst du alternative Reaktionen trainieren. Statt zum Handy zu greifen: kurz aufstehen, tief durchatmen, einen Schluck Wasser trinken.
Gegen den Strom schwimmen lohnt sich
Seien wir ehrlich: In vielen Unternehmen wird erwartet, dass du ständig erreichbar bist. E-Mails um zweiundzwanzig Uhr, Nachrichten am Wochenende, sofortige Reaktionen auf jede Anfrage. In so einer Kultur bewusst Grenzen zu setzen und fokussiert zu arbeiten, fühlt sich an wie Rebellion.
Aber genau das ist der Punkt. Die Menschen, die in ihrer Karriere wirklich vorankommen, sind selten diejenigen, die am schnellsten auf jede belanglose Nachricht antworten. Es sind diejenigen, die strategisch denken, fokussiert arbeiten und in wichtigen Momenten voll präsent sind. Sie haben gelernt, zwischen dringend und wichtig zu unterscheiden. Sie schützen ihre Aufmerksamkeit wie eine wertvolle Ressource – weil sie genau das ist.
Die Analyse von Personio zu Produktivitätskillern zeigt deutlich: Social Media, ständige Unterbrechungen und Multitasking zersplittern die Aufmerksamkeit so sehr, dass fokussiertes Arbeiten unmöglich wird. Wer hingegen lernt, seine Aufmerksamkeit bewusst zu steuern, entwickelt eine Superkraft für die moderne Arbeitswelt. In einer Umgebung, in der fast alle ständig abgelenkt sind, stichst du heraus, wenn du fokussiert bleiben kannst.
Der langfristige Preis von geteilter Aufmerksamkeit
Es geht hier nicht nur um die nächste Beförderung oder das nächste Projekt. Es geht um die Frage, wie du die nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahre deines Berufslebens gestalten willst.
Wer jahrelang in einem Zustand chronischer Ablenkung arbeitet, zahlt einen hohen Preis: erhöhtes Risiko für Erschöpfung, schlechtere Arbeitsqualität, weniger Kreativität und langfristig eine stagnierende Karriere. Das sind keine dramatischen Einbrüche, die über Nacht passieren. Es ist ein schleichender Prozess – du merkst nicht, wie du langsam zurückfällst, während andere vorankommen.
Die Daten zu Unterbrechungen und kognitiver Erschöpfung sind eindeutig: Dauerhafte Reizüberflutung und fehlende Erholungsphasen mindern nicht nur die aktuelle Leistungsfähigkeit, sondern auch die langfristige psychische Gesundheit. Du kannst nicht auf Reserve laufen und gleichzeitig erwarten, dass deine Karriere vorankommt.
Umgekehrt gilt: Wer früh lernt, seine Aufmerksamkeit bewusst zu steuern, liefert bessere Ergebnisse. Du baust stärkere Beziehungen auf, weil Menschen sich von dir gesehen und respektiert fühlen. Und du bleibst langfristig gesünder und leistungsfähiger.
Gewohnheiten ändern braucht Zeit
Erwarte keine Wunder über Nacht. Gewohnheiten zu ändern braucht Zeit. Aber der Aufwand lohnt sich.
Fang klein an. Such dir eine einzige Situation aus, in der du deine Aufmerksamkeit schützen willst. Vielleicht das wöchentliche Team-Meeting. Oder die erste Arbeitsstunde am Morgen. Oder Gespräche mit deiner Chefin. Mach es dir zur eisernen Regel: In dieser einen Situation ist das Handy weg, und du bist voll präsent.
Beobachte, was passiert. Wahrscheinlich wird es am Anfang unangenehm. Deine Hand greift automatisch nach dem Handy, das nicht da ist. Du fühlst dich rastlos, vielleicht sogar ängstlich. Das ist normal – dein Gehirn vermisst seine gewohnte Belohnung. Halt durch. Nach ein paar Wochen wird es leichter.
Und dann wirst du anfangen, die Früchte zu ernten. Du wirst merken, dass du Gespräche besser im Gedächtnis behältst. Dass Menschen dir gegenüber offener werden, weil sie spüren, dass du wirklich zuhörst. Dass du Aufgaben schneller erledigst, weil du nicht ständig unterbrochen wirst. Dass du am Ende des Tages weniger erschöpft bist.
Deine Aufmerksamkeit ist dein wertvollstes Kapital
Die allermeisten Menschen haben die Fähigkeit zu ungeteilter Aufmerksamkeit verloren. Sie sind gefangen in einem endlosen Kreislauf aus Ablenkungen, Unterbrechungen und geteilter Aufmerksamkeit. Sie arbeiten hart, sind ständig beschäftigt – und kommen trotzdem nicht voran.
Du musst nicht zu diesen Menschen gehören. Du kannst dich bewusst entscheiden, anders zu arbeiten. Es erfordert Disziplin, ja. Es fühlt sich anfangs unangenehm an. Und du wirst gegen kulturelle Erwartungen ankämpfen müssen.
Aber die Alternative – weiterhin deine Aufmerksamkeit zu zersplittern, während deine Karriere stagniert und deine Energie schwindet – ist deutlich schmerzhafter. Nur eben langsamer. Unmerklicher. Bis du eines Tages aufwachst und dich fragst, warum andere an dir vorbeigezogen sind, obwohl du doch so hart gearbeitet hast.
Die Forschung zu Produktivität und Arbeitspsychologie ist eindeutig: Fokus schlägt Beschäftigung. Präsenz schlägt Erreichbarkeit. Qualität schlägt Quantität. Die Frage ist nur: Bist du bereit, die scheinbar harmlose Angewohnheit loszulassen, die dich bisher zurückgehalten hat?
Deine Karriere – und dein Gehirn – werden es dir danken. Fang heute an. Fang klein an. Aber fang an.
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